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Gerhard Preschitz

Lebensstil und psychische Gesundheit

Aktualisiert: 4. Apr. 2022


Wie sich Bewegung, Ernährung und Schlafgewohnheiten individuell auf die psychische Gesundheit auswirken



Unser psychisches Wohlbefinden wird bekanntlich durch unsere Lebensgewohnheiten wie Bewegung, Ernährung und Schlaf stark beeinflusst. Studien dazu existieren mittlerweile in großer Zahl.


Erst zuletzt (2021) haben Forscherinnen und Forscher die genaueren Wechselwirkungen zwischen Ernährungsqualität und Lebensstilfaktoren und deren Einfluss auf psychisches Wohlbefinden unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse zeigen die Wichtigkeit, auch beim Thema der Lebensgewohnheiten persönliche und individuelle Therapieansätze zu bevorzugen.



Aber eines nach dem anderen. Beginnen wir beim Stress und dessen Auswirkungen:


Stress und Stresshormone


Psychischer Stress bewirkt unter anderem die Ausschüttung von Cortisol in der Nebenniere. Dieses Hormon ist wichtig zur Bereitstellung von Energie, um kurzfristig auf Gefahren und Belastungen adäquat reagieren zu können. Bei dauerhaftem erhöhtem Cortisolspiegel kommt es aber zur Ausbildung von Depressionen, Angststörungen und einer Vielzahl von körperlichen Erkrankungen.


Damit nicht genug. Anhaltender Stress wirkt sich auch ungünstig auf das Kurzzeitgedächtnis aus. Denn durch länger andauernde Ausschüttung von Cortisol schrumpft das Volumen unseres Hippocampus, weil dieser Teil des Gehirnes besonders viele Rezeptoren für Cortisol aufweist. Der Hippocampus seinerseits ist besonders wichtig für das Kurzzeitgedächtnis, und wenn er Schaden nimmt, bemerken wir es durch ein Nachlassen des Kurzzeitgedächtnisses.



Sehen wir uns ein paar der modifizierbaren Risikofaktoren bzw. Lebensstileinflüsse genauer an:


Bewegung und Sport


Regelmäßige Bewegung bewirkt ein deutlich verbessertes psychisches Wohlbefinden, unterstützt das Gehirnvolumen und geht mit verbesserter Denkleistung und erhöhter Merkfähigkeit einher.


Klingt einfach und gut – doch warum ist das so?


  1. So wie es aussieht, sinken bei moderater körperlicher Bewegung mittel- bis langfristig die Werte des Stresshormons Cortisol im Körper. Denn kurzfristig führt beispielsweise Laufen zwar zu erhöhten Cortisolspiegeln im Körper, genauso wie bei allzu ambitionierten Steigerungen des Trainingsniveaus. Mittel- bis langfristig erfolgt jedoch bei körperlicher Aktivität durch aeroben Sport eine - erhöhte - Inaktivierung des aktiven Steroids Cortisol in das inerte Steroid Kortison. Dieser Mechanismus bewirkt, dass moderat trainierte Personen vor den schädlichen Auswirkungen einer länger erhöhten Cortisolausschüttung besser geschützt sind.

  2. Zusätzlich wird durch sportliche Betätigung die Vermehrung eines speziellen Nervenwachstumsfaktors (BNDF) ausgelöst, der seinerseits den Transport von Serotonin und die Freisetzung von Dopamin fördert. Diese beiden Botenstoffe brauchen wir für mit psychisches Wohlbefinden und das Gefühl von Zufriedenheit.

  3. Depression und auch andere neurologische und psychische Krankheiten sind mit erhöhten Werten von Kynurenin, einer Aminosäure, verbunden. Körperliche Aktivität führt zur vermehrten Produktion eines besonderen Eiweißes (PGC-1α1). Darauf aufbauend hat eine schwedische Forschungsgruppe im Rahmen einer Studie herausgefunden, dass PGC-1α1 in den Muskeln zur Bildung eines speziellen Enzyms (KAT) führt. Dieses Enzym wiederum hindert das Kynurenin, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren und das Gehirn zu erreichen. Das bedeutet, dass wir die psychischen und neurologischen Auswirkungen des Kynurenin lindern oder gar verhindern können – allein durch regelmäßige körperliche Aktivität.

  4. Aerobe und moderateBewegung verbessert weiters Größe und Zustand unseres Hippocampus, was zur einer Verbesserung des Kurzzeitgedächtnisses führt. Diese Aussage gilt übrigens für alle Altersgruppen.


Besonders wichtig ist allerdings, dass pauschale Aussagen, die allen sportlichen Aktivitäten uneingeschränkt eine positive Wirkung auf Wohlbefinden und psychische Gesundheit zuschreiben, mit großer Vorsicht zu genießen sind. Entscheidend sind Dauer, Frequenz und die Art der sportlichen Betätigung, um einen nachhaltig günstigen psychischen Effekt beim Einzelnen zu erzielen. Es lohnt sich also sehr, Ihr persönliches Optimum moderater Aktivität herauszufinden. Denn damit nehmen Sie direkt Einfluss auf Ihre Stimmung und sogar auf Ihre Gedächtnisleistung.



Ernährung


Gesunde Ernährung liefert mehrere Makro- und Mikronährstoffe, die das Gehirn strukturell und biochemisch unterstützen.


Vor allem benötigt das Gehirn junger Erwachsener ein großes Spektrum an nährstoffreicher Nahrung, die synergistisch wirken kann, um das Wachstum und den Betrieb verschiedener Gehirnstrukturen zu unterstützen.


Daher leiden junge Erwachsene, die an Ernährungsmängeln leiden, eher an psychischen Belastungen mit einer möglichen lang anhaltenden Wirkung.


Auf einzelne Aspekte der Wechselwirkungen von Ernährung und Psyche möchte ich in einem meiner nächsten Artikel näher eingehen.




Schlaf und saisonale Veränderungen


Gute Nachrichten für alle, die gerne lang schlafen:


In der eingangs erwähnten Studie kam zutage, dass die Schlafqualität und das allgemeine Wohlbefinden in engem Zusammenhang mit den berichteten Schlafstunden stehen.

Mit zunehmender Schlafdauer verbessern sich Schlafqualität und allgemeines Wohlbefinden.

Jahreszeitliche Veränderungen, die die Länge des Tageslichts beeinflussen, tragen zu Stimmungsschwankungen oder gar -störungen bei, indem sie den zirkadianen Rhythmus modifizieren und folglich die Gehirnchemie beeinflussen.

Umgekehrt setzt eine gute Schlafqualität die Gehirnfunktionen durch Hochregulierung der Gene der zirkadianen Uhr wieder zurück.



Conclusio


Die Verfasser der Studie über die komplexen Zusammenhänge der einzelnen Lebensstilfaktoren folgern, dass Risikofaktoren für psychische Belastungen jedenfalls dynamisch sind. Das bedeutet insbesondere, dass die Verbesserung bereits eines einzigen Faktors alleine auch alle anderen positiv beeinflussen kann. Umso besser, wenn man alle Möglichkeiten nutzt, meine ich.

Darüber hinaus betonen sie, dass ihre Ergebnisse die Idee der Personalisierung von Lebensstilempfehlungen und Therapien unterstützen, auch unter spezieller Berücksichtigung von Geschlecht und Altersgruppen.


Meine persönliche Erfahrung ist, dass genau diese Personalisierung von Therapie nicht nur eine gute Idee, sondern der zentrale Schlüssel zum Erfolg ist. Das scheint trivial, wenn es um Ihre persönliche Lebenssituation oder um spezielle Belastungen geht. Es trifft aber ebenfalls zu, wenn es um vermeintlich allgemeingültige Faktoren wie Bewegung, Ernährung und Schlaf geht.





Literatur:


Manuela Macedonia: „Beweg dich! Und dein Gehirn sagt danke“ (2018)

Lyna Begdache et al: „Dynamic associations between daily alternate healthy eating index, exercise, sleep, seasonal change and mental distress among young and mature men and women“ Journal of Affective Disorders Reports (2021)

Saskjia Heijnen et al: „Neuromodulation of aerobic exercise – a review“ Frontiers in psychology (2016)

Gordon Sudeck et al: „Sport, Wohlbefinden und psychische Gesundheit“ in „Sportpsychologie - Grundlagen und Anwendung“ (2020)


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